Montag, 23. Mai 2011

klagemauer

eine freundin bat - offenbar angesichts einer sisyphosartigen wiederholung der typischen gemeinheiten des lebens - in ihrem blog darum, man möge ihr einfach ab und an sagen, dass alles wieder gut wird.

ich habe heute für eine kollegin 5 ethik-colloquien protokolliert und da tauchte wiederholt ein frage auf, die mir erstens kaum aus dem kopf geht - die antwort darauf, nicht die frage - und die hier zweitens vielleicht passt:

ist viktor frankl dem geneigten leser ein begriff? er - ein jude, der das kz überlebt aber seine ganze familie dort verloren hat - hat 3 hauptwege zum glück beschrieben:

der erste: erleben statt konsumieren: erlebe jeden tag als geschenk und erfreue dich an den schönen dingen.

der zweite: ein werk schaffen: bemühe dich um irgend etwas mit vollständiger hingabe, dann wirst du darin - egal wie unbedeutend das werk scheinen mag - glück finden.

der dritte: hinnehmen was nicht zu verhindern ist: aus allem schlimmen lässt sich eine positive perspektive herauslesen. konzentriere dich auf diesen blick, nicht auf das traurige, entsetzliche, schmerzliche. dann erhält das leben (wieder) einen sinn.

als beispiel zum besseren verständnis folgendes: man stelle sich die trauer im falle des todes einen teuren freundes vor. nun kann man in schmerz über den verlust versinken. man kann sich aber, nach einer gewissen zeit, vor augen führen, dass es nicht im sinne des freundes sein kann, wenn man allen sinn in seinem leben verlöre auf seinen tod hin. wenn man sich also bewusst macht, dass es der wunsch des freundes wäre, dass man selbst weiter lebt, dann ist es möglich, daraus dem eigenen leben wieder einen sinn zu geben.

gerade der dritte weg scheint mir der anspruchsvollste. beinahe vermessen klingt diese forderung. doch von jemandem, der seine mithäftlinge allein auf diese weise dazu gebracht hat, jeden tag neu zu überleben, in einer vollkommen unmenschlichen, vollkommen unterträglichen situation, der ihnen kraft und mut gegeben hat, die ausgereicht haben, jeden tag nicht zu sterben, von solch einem menschen - zu dem ich mit bewunderung aufblicke - und ich blicke zu wenigen auf - von solche einem menschen kann man vielleicht wirklich etwas lernen?

ich glaube, wenn wir auch nur winzige schritte auf diesen drei wegen zu gehen versuchen, dann wird zuletzt alles gut.

2 Kommentare:

  1. ... and the wisdom to tell the difference. Die Wege, die der offensichtlich tatsächlich bewundernswerte Frankl beschreibt, scheinen mir durchaus nachahmenswert. Allein, wann ist etwas nicht zu ändern? (Ich glaube, wir hatten diese Frage schon in Bezug auf Beziehungen und wann man daran festhalten bzw. sie beenden sollte diskutiert.) Und, noch viel schwieriger: Wie bringt man sich dazu, diese Wege gerade in kritischen Lebenssituationen auch einzuhalten? Bie vielen solchen Ratschlägen, die meistens alle sinnvoll sind, habe ich das Gefühl, sie sind ähnlich leicht einzuhalten wie die Aufforderung: "Habe jetzt Hunger!" Klar, man kann sich zum Essen zwingen, aber das Hungergefühl, also das eigentlich verlangte, kann man nicht einfach einschalten. Und genauso wenig geht das oft mit Eigenliebe, Gelassenheit oder was auch immer einem an sonstigen emotionalen Haltungen empfohlen wird. Wahrscheinlich hilft es aber schon, sein Verhalten in die Richtung anzupassen, dann stellt sich die innere Haltung irgendwann ein.
    Wie auch immer, mittlerweile denke ich mir, dass das Leben mir vielleicht genau das Gegenteil sagen will: Dass ich eben doch wider alle Erfahrung (stellvertretend) hoffen und nicht aufgeben sollte. Denn selbst wenn meine Vernunft es mir rät: Das Gefühl der Hoffnungslosigkeit will sich trotz allem nicht einstellen.
    Also versuche ich doch mal wieder den guten Rat meines Therapeuten anzuwenden, höre auf mein Bauchgefühl und glaube an ein Happy End. :)

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  2. ich stimme dem zu. es ist - in der krise - sehr schwierig, solche ratschläge umzusetzen.
    ich denke, es geht eigentlich nur so, dass man in den bessren zeiten versucht, seine innere haltung so zu verändern, dass man der krise gewachsen(er) ist.

    was ich gar nicht gut schaffe, ist das bewusste oder bauchgefühlige aufrechterhalten der hoffnung - in bestimmten bereichen. das klingt tragisch, ist es für mich aber nicht wirklich. ich halte mich da beinahe für (ein bisschen) stoisch - wenn die dumme kleine zähe hoffnung auf bestimmte dinge es doch wieder mal geschafft hat, den kopf zu heben und dann eins drauf zu kriegen - dann schaue ich mir das eine zeitlang an und stelle dann fest: es ist wie es ist. sei's drum. ich hoffe dann nicht mehr darauf, dass sich das groß ändert, dass es ein happy end gibt. ich suche eher nach alternativen haltungen, nach einem "wenn es so sein soll, dann soll es halt so sein".

    was dann bleibt, ist ein kleiner feiner schmerz irgendwo tief im herzen, weil wieder eine - dumme kleine - hoffnung enttäuscht wurde. und eigentlich fühlt sich das dann ok an. lebendig. und ein bisschen traurig.
    dann fühle ich mich wieder irgendwie mir selbst vertraut.

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