Mittwoch, 2. Mai 2012

arbeits-MORAL

üblicherweise versteht man unter arbeitsmoral wohl eine gewisse haltung gegenüber der beruftlichen tätigkeit - im sinne von engagement und fleiß.
ich möchte den begriff heute ein wenig anders interpretieren...

ich frage mich, ob es in gewissen berufen moralisch vertretbar ist, wenn man - obwohl man ausgebrannt ist - weiter arbeitet. in berufen, in welchen man verantwortung trägt nicht allein für prozesse, beispielsweise in der produktion von gütern, sondern für menschen, sollte überlegt werden, ob es ausreichen kann, wenn man in der lage ist, den rein sachlichen aspekt der arbeit abzuleisten... stunden abzuhalten, termine einzuhalten, formulare ausfüllen und abzugeben, halbwegs pünktlich zu erscheinen, was immer sonst so ein typischer lehrer macht, den lieben langen tag.

ich denke: nein.

in einem beruf wie dem des lehrers geht die verantwortung weit über das hinaus.
wir sind verantwortlich für menschen, die sich in der entwicklung befinden - gut, das tut jeder mensch, zu jeder zeit seines lebens. aber so elementar wie in der jugend? ich denke das nicht. wir behandeln menschen, die sich in der vermutlich sensibelsten phase der persönlichkeitsentwicklung befinden - kindheit und jugend. wir sind verantwortlich dafür, ihnen dann den weg zu weisen, wenn sie ihn aus den augen verlieren, sie auf den weg zurückzuholen, wenn sie mal abseits gestrandet sind. wenn wir das nicht schaffen, so haben wir doch zumindest die verdammte pflicht und schuldigkeit, es versucht zu haben!

unser derzeitiges schulsystem - und vor allem allzu viele pädagogen, die dieses ausfüllen und verkörpern - begünstigen die braven, fleißigen. und zwar auch und gerade dann, wenn sie nicht nur nicht willens , sondern vielmehr außerstande sind, einen eigenständigen gedanken zu fassen. so scheint es mir. jene, die uns nach dem mund reden und sich als ausgezeichnete befehlsempfänger erweisen, die schieben wir mit allen verfügbaren mitteln durch die schule - bis zum höchstmöglichen abschluss. diejenigen aber, die nicht ganz so leicht  zu handhaben sind, die vom weg ein bisschen abgekommen sind, oder die, die sich auch einmal wehren, entziehen, flüchten, protestieren, faulenzen, denken, leben, atmen, die lassen wir links liegen, wenn wir sie nicht gerade mit füßen treten, um sie klein zu machen.

kann das der sinn einer höheren schulausbildung und menschenbildung sein?

ich denke, wenn wir als pädagogen auf diese weise faul und nachlässig sind, dann machen wir nicht nur einen schlechten job - wie handeln rücksichts- und verantwortungslos.

wir sind die, die dann noch standhalten müssen, wenn den eltern - verständlicherweise - einmal  alles über den kopf wächst, wenn das licht ausgeht, wenn der weg zu steil, zu mühsam, zu wenig lohnend, langweilige, unattraktiv erscheint.

wir sind von beruf klagemauer und taschenlampe.

sind wir das nicht, oder nicht mehr, dann sollten wir gehen.

warum, so frage ich mich, will es das deutsche schulsystem - so beharrlich und unveränderlich - das nicht die besten pädagogen, die freundlichsten und stabilsten menschen die kinder erziehen und behüten, sondern diejenigen, die am fleißigsten auswendig gelernt haben? warum werden wir nach noten und nicht nach eignung eingestellt? was sagt uns das über das volk der dichter und denker?
dass wir wohl im tiefsten innern unsrer seelen weder dichter noch denker, sondern bürokraten, paragraphenreiter und feiglinge sind. zahlen sind ja so verlässlich...

aber seelen sind zerbrechlich. vor allem junge seelen.
sie sollten in die hände mit dem sicheren halt und den samtenen handschuhen gegeben werden. denn nichts ist wertvoller und zerbrechlicher als die zukunft.

moral, arbeits-moral?

im erzieheungswesen hat das noch weniger mit bürokratischer verlässlichkeit zu tun denn anderswo.
im erziehenswesen werden wir ihr dann gerecht, wenn uns die seelen nicht unter den händen springen, anknaksen, beulen und schrunden abbekommen, zerbrechen.
springen, anknaksen, knie aufschlagen, zerbrechen, zusammenkleben, auf die nase fallen, aufstehen lassen: das sind aufgaben des lebens. lehrer aber sollten sich niemals anmaßen, schicksal spielen, das leben ersetzen zu wollen.

wie gesagt: wir sind die klagemauer, die taschenlampe, manchmal das geländer vor dem abgrund oder der alte zerberus... wenn wir das alles sind, dann - und nur dann - haben wir arbeitsMORAL. finde ich.

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